Donnerstag, März 28, 2024
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„Der Stimmzettel ist stärker als die Kugel“

– besser als dieses Zitat von Abraham Lincoln kann man die Bedeutsamkeit der Wahl nicht erklären. Es sollte für jeden Bürger eine moralische Verpflichtung sein zur Wahl zu gehen, denn die Geschichte zeigt, dass es ein Glück für uns ist unsere Meinung kundgeben zu können und zu erkennen, wie signifikant unsere Stimme auf dem Stimmzettel sein kann.

Die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag findet am 24. September 2017 statt. Erstmals ist bei dieser Wahl das Fotografieren und Filmen in der Wahlkabine ausdrücklich verboten- aufgrund der Änderung der Bundeswahlordnung im März 2017. Nach Schätzung des Statistischen Bundesamtes werden unter den 61,5 Millionen wahlberechtigten 3 Millionen Erstwähler sein.

Der Bundestag besteht regulär aus 598  Abgeordneten ohne die Überhangmandate. Sie werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den wahlberechtigten Deutschen gewählt. In Deutschland wird nach dem Prinzip der personalisierten Verhältniswahl gewählt – zwei Wahlsysteme werden miteinander verbunden, die Verhältniswahl und die relative Mehrheitswahl. Dies bedeutet für den Wahlgänger, dass er zwei Stimmen zu vergeben hat. 299 Abgeordnete werden nach Kreisvorschlägen in den Wahlkreisen und die übrigen 299 nach Landeswahlvorschlägen gewählt. Für die Bundestagswahl 2017 wurden 34 Wahlkreise neu abgegrenzt.

Die Erststimme gilt den Direktmandaten. Durch diese werden die 299 Abgeordneten direkt in den Wahlkreisen gewählt- relative Mehrheitswahl.  Diese Kandidaten können einer Partei angehören oder parteilos sein. Derjenige ist gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat. Durch dieses System wird gewährleistet, dass alle Regionen in Deutschland im Bundestag vertreten sind. Die Erststimme hat mit dem Größenverhältnis der Parteien im Bundestag nichts zu tun.

Jeder Wähler stimmt mit seiner Zweitstimme für die Landesliste einer Partei, somit werden die übrigen 299 Sitze vergeben. Diese entscheidet über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestags- Verhältniswahlsystem. In den Bundestag ziehen diejenigen Parteien ein, die die Fünf-Prozent-Klausel der Zweitstimmen erreichen oder mindestens drei Direktmandate in den Wahlkreisen gewinnen (Grundmandatsklausel). Ansonsten verfallen deren Zweitstimmen. Die Partei mit den meisten Mandaten hat das Recht die Regierung bilden zu können und seinen Kanzler zu ernennen. Aufgrund der Möglichkeit, in den Wahlkreisen Personen direkt wählen zu können, erhalten die Wähler im Verhältniswahlsystem einen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Parlaments. Daher spricht man auch von einer personalisierten Verhältniswahl. Durch dieses System soll gewährleistet werden, dass jeder Wählerwille in der Volksvertretung widergespiegelt wird. Bei einem reinen Mehrheitswahlrecht wäre dies nicht gewährleistet, da hierbei das Ziel auf Entstehung klarer Mehrheitsverhältnisse liegt. Außerdem kann jeder Wähler selber entscheiden, ob er „Stimmensplitting“ macht oder seine Stimmen dem Kandidaten und der Liste der gleichen Partei gibt.

Seit Februar 2013 hat Deutschland ein neues Wahlrecht- das Verfahren der Sitzzuteilung wurde geändert. Diese Änderung war notwendig, da das BVerfG die durchgesetzte Wahlrechtsreform 2011 für verfassungswidrig erklärt hatte. Es wurde bemängelt, dass diese Reform den Effekt des negativen Stimmgewichts nicht beseitigt und die Regelung der Überhangmandate den Grundcharakter der Verhältniswahl aufhebt. Außerdem besteht ein verfassungsrechtliches Problem für das Wahlrecht der Auslandsdeutsche. Das bisherige Wahlrecht verstoße gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl. Das neue Wahlrecht beinhaltet Ausgleichsmandate, so dass abhängig nach verschiedenen Wahlausgängen, die Zahl der Parlamentssitze bis zu 700 steigen kann.

Wie erfolgt die Auszählung der Stimmen?

Nach der Wahl werden alle Zweitstimmen zusammengezählt, die eine Partei über Landeslisten erhalten hat. Nach dem Sainte-Laguë/ Schepers- Verfahren wird berechnet, wie viele Mandate jede Partei nach ihrem Zweitstimmenanteil im jeweiligen Bundesland erhält. Danach wird errechnet, wie viele Mandate jede Partei im Bundestag erhält. Abgezogen von dieser Summe werden die Direktmandate. Die verbleibenden Sitze werden mit Listenkandidaten besetzt. Dabei gilt, wer oben auf der Liste steht, kommt eher dran. Wie schon erwähnt, werden dabei nur Parteien berücksichtigt, die die Fünf-Prozent-Klausel und die Grundmandatsklausel einhalten konnten. Es tritt auch der Fall auf, dass die Partei mehr Direktmandate gewonnen hat, als die ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Diese Mandate heißen „Überhangmandate“. Die Anzahl der Abgeordneten nimmt um die Überhangmandate zu, auch nach der neuen Reform. Da das Problem besteht, dass die Überhangmandate das Zweitstimmenergebnis verfälschen könnten, erfolgt ein weiterer Schritt. Eine Ergänzung um Ausgleichsmandate findet statt. Die Überhangmandate werden durch Ausgleichsmandate ausgeglichen, damit das Größenverhältnis der Parteien nach dem Zweitstimmenergebnis gewahrt bleibt. Das heißt, auf Bundesebene wird die Zahl der zu verteilenden Gesamtsitze bis zu dem Punkt erhöht, ab dem alle Parteien über so viele Sitze verfügen, wie es Ihnen nach den Zweitstimmen zustehen. Vorteil der neuen Regelung ist, dass das Größenverhältnis zueinander erhalten bleibt, wenn auch eine Partei überdurchschnittlich viele Überhangmandate gewonnen hat. Der Nachteil jedoch ist, dass der Bundestag nach dieser Wahl deutlich größer wird.

Beispiel:

Bundesweit hat Partei X 200 Sitze und Partei Y 100 Sitze nach Zweitstimmen errungen. Partei X hat zusätzlich 20 Überhangmandate. Um das Größenverhältnis zu wahren, wird die Zahl der Sitze im Bundestag so lang erhöht, bis Partei Y im Vergleich zur Partei X wieder die Hälfte der Mandate hat. Somit wäre das Ergebnis, dass Partei X 220 Sitze und Partei Y auf 110 Sitze kommen.

Wissenswertes:

– über 250 verschiedene Wahlverfahren weltweit

– Grundtypen: Mehrheitswahl und Verhältniswahl

– Unterschiede bei der Wandlung von Stimmen in Mandate

– Zusammensetzung eines Parlaments je nach Wahlsystem immer unterschiedlich

– in parlamentarischen Demokratien bestimmt das Wahlsystem, wer die Regierung stellen kann

– Unmittelbarkeit zwischen Ausgestaltung des Wahlsystems und Machtfrage

Text: Asli Saygi

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