Donnerstag, März 28, 2024
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Ein paar Gedanken…

von Serenay Cuci*

“Acılar paylaştıkça azalır.”

Alle türkischstämmigen Personen in Deutschland, mit denen ich in den ersten Wochen nach dem Erdbeben gesprochen habe, berichteten, dass sie bei der Arbeit und in Ihrem Freundeskreis vereinzelt bis gar nicht gefragt wurden, wie es ihnen geht oder ob sie durch das Erdbeben Verluste haben. In unserer Kultur gilt „Acılar paylaştıkça azalır“. Auch im Deutschen gibt es ein ähnliches Sprichwort: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“.

Deswegen möchte ich mich bei allen Freund*innen bedanken, die mich mental und finanziell durch Spenden unterstützt haben. Es bedeutet so viel. Wirklich. Durch unser Privileg, ein Teil von Deutschland zu sein, hoffen wir, dass wir unseren türkischen Familien vielleicht als Bindeglied helfen können.

Eine Anteilnahme, die Schätzung unserer zwei Identitäten der Deutschen sowie der Türkischen, ist uns wichtig. Viele unserer Großeltern kamen vor rund 60 Jahren für eine bessere Zukunft nach Deutschland. Wir kennen unser Privileg und wir fühlen uns schuldig, weil wir so weit weg sind und so wenig tun können. Gleichzeitig ist der Alltag gleichbleibend für uns. In der türkischen Kultur sind die ersten vierzig Tage für die Trauer eine wichtige Zeit, hier bleibt der Alltag aber gleich, das ist gut und gleichzeitig verwirrend. Der Text eines deutschen Liedes drückt unsere Verfassung ganz gut aus:

„Und die Welt dreht sich weiter
Und dass sie sich weiterdreht,
Ist für mich nicht zu begreifen,
Merkt sie nicht, dass einer fehlt?“

Ich habe in der vergangenen Zeit viele Beiträge auf meinen Social-Media-Kanälen geteilt, die Storys werden von immer weniger Personen gesehen. Ich weiß, das ist keine leichte Kost, sich mit so viel Leid zu befassen. Und ja, man muss sich auch mal selbst abschirmen und sich seine Zeit nehmen! Bitte nehmt euch eure Zeit – ignoriert die Situation aber nicht bleibend. Das schmerzt. Ich werde weiter aktiv Postings/Beiträge teilen, denn es ist eines der wenigen Dinge, die ich in der Hand habe.

Naturkatastrophen können Traumafolgeschäden auslösen! Je besser Menschen durch Menschen aufgefangen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder auf die Beine kommen. Meine Verwandtschaft aus der Türkei sowie alle anderen Menschen vor Ort verlassen sich auf internationale Solidarität, sie trösten sich mit dem Gedanken, dass die gesamte Welt ihr Leid im Blick hat.

*Serenay Cuci ist Psychologin aus München

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